Der demografische Wandel ist eine große Herausforderung für die deutsche Wirtschaft. Bis zum Jahr 2035 wird die Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 67 Jahren voraussichtlich um mehr als drei Millionen Personen schrumpfen – der Anteil der Bundesbürger im erwerbsfähigen Alter an der Gesamtbevölkerung sinkt dann um gut 4 Prozentpunkte auf weniger als 59 Prozent.
Folglich muss die gesamtwirtschaftliche Produktion in den kommenden Jahren von einem kleiner werdenden Teil der Bevölkerung erbracht werden. Ob die Wirtschaft und der Wohlstand – gemessen an den Pro-Kopf-Einkommen – so wie bisher wachsen können, hängt dann von der Entwicklung der Arbeitsproduktivität ab, also der preisbereinigten Wirtschaftsleistung je Erwerbstätigen(stunde). Berechnungen des IW zeigen:
Soll das Einkommen je Einwohner bis 2035 so wie in den vergangenen drei Dekaden um 1,2 Prozent pro Jahr steigen, ist ein Produktivitätswachstum von jahresdurchschnittlich 1,8 Prozent erforderlich.
Dass dies ambitioniert ist, zeigt ein Blick auf die Produktivitätstrends der letzten Zeit. Schon in den 2010er Jahren war der jährliche Anstieg der Arbeitsproduktivität im Schnitt mit rund 1 Prozent nur noch etwa halb so hoch wie in den 1990ern. In jüngster Zeit verringerte sich das Tempo nochmals:
Von 2020 bis 2024 legte die Arbeitsproduktivität in Deutschland gerade einmal um jahresdurchschnittlich 0,3 Prozent zu.
Zu den Gründen für das stark gedrosselte Produktivitätswachstum zählt neben den demografisch bedingten, zunehmenden Fachkräfteengpässen auch die verringerte internationale Arbeitsteilung. Bereits seit den 2010er Jahren ist der Trend zum Bezug von Vorleistungen aus dem Ausland abgeflaut und die aktuellen geopolitischen Verwerfungen verstärken diese Entwicklung noch – all dies führt zu Effizienzverlusten in der Produktion.
Hinzu kommt, dass sowohl die Unternehmen als auch der Staat in den vergangenen Jahren zu wenig in Deutschland investiert haben, um den Kapitalstock – Produktionsanlagen, Verkehrsinfrastruktur etc. – zu erhöhen beziehungsweise zu modernisieren.
Unternehmen rechnen nicht mit deutlichem Produktivitätswachstum
Vor diesem Hintergrund dürfte es schwierig werden, die Lücke zwischen dem zuletzt niedrigen Produktivitätswachstum und den für die Wohlstandssicherung künftig benötigten Zuwachsraten zu schließen. Eine IW-Befragung von Unternehmen aus der Industrie und den industrienahen Dienstleistungsbranchen lässt jedenfalls nicht darauf schließen, dass die deutsche Wirtschaft ihre Produktivitätsschwäche in absehbarer Zeit überwinden wird.
Insgesamt geht die Hälfte der Befragten für die kommenden fünf bis zehn Jahre von einem schwachen Produktivitätswachstum in ihrem Unternehmen aus.
Gut ein Drittel rechnet mit einem normalen Produktivitätsanstieg, nur 8 Prozent erwarten, dass die Produktivität stark zulegen wird.
Lediglich in der Ver- und Entsorgungsbranche sind mit 20 Prozent fast ebenso viele Unternehmen zuversichtlich, wie es Pessimisten gibt. Am skeptischsten zeigen sich die Metallindustrie, die Chemiebranche sowie die Bauwirtschaft – dort halten jeweils gut sechs von zehn Firmen eine anhaltende Produktivitätsflaute für wahrscheinlich.
Für die Unternehmen sind Bürokratie und Regulierungen die größten Produktivitätshemmnisse
Doch was bremst die Produktivität in den Unternehmen ab? Aus Sicht der Betriebe sticht ein Aspekt besonders hervor.
Rund 85 Prozent der Industrie- und industrienahen Dienstleistungsunternehmen halten die hohe Regulierungsdichte und die Belastung durch bürokratische Vorgaben für produktivitätshemmend – 61 Prozent sehen sogar einen stark negativen Einfluss.
Mit Abstand folgt an zweiter Stelle der Fachkräftemangel – 25 Prozent der Unternehmen sehen in ihm ein starkes, weitere 29 Prozent ein leichtes Produktivitätshemmnis. Das ist auch damit zu erklären, dass viele Unternehmen trotz einer schwachen Geschäftslage Mitarbeiter gehalten haben – aus Sorge, bei einem neuerlichen Aufschwung nicht genug neue Arbeitskräfte zu finden. Niedrige Produktionszahlen bei hohem Beschäftigungsstand bedeuten aber eine Schwächung der Produktivität.
Die Hälfte der vom IW befragten Unternehmen geht für die kommenden fünf bis zehn Jahre von einem schwachen Produktivitätswachstum aus.
Insgesamt ist die Bandbreite jener Faktoren, die das Produktivitätswachstum in den Unternehmen hemmen, groß. Zumindest auf einige davon kann und sollte die Politik Einfluss nehmen. Dies gilt zuvorderst für die Bürokratielasten, die der deutsche Staat und die EU den Firmen auferlegen. Aber auch der bislang wenig verlässliche Regulierungsrahmen für die Dekarbonisierung hat die Wirtschaft unnötig verunsichert und überhöhte Kosten verursacht – hier muss die Politik einen klaren Kurs fahren. Nicht zuletzt wäre die Bundesregierung gut beraten, forschende Firmen stärker zu fördern – sind Innovationen doch eine zentrale Stellgröße für ein stärkeres Produktivitätswachstum.
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft
