Der Blick auf die Stromrechnung kann je nach Höhe des Betrags schon mal einen kleinen Schock auslösen. Doch was für Verbraucher in der Regel höchstens ärgerlich ist, kann Unternehmen in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Das gilt vor allem für energieintensive Industrieunternehmen. Ein hoher Strompreis ist für sie gleichbedeutend mit einem massiven Nachteil im internationalen Wettbewerb, denn anders als bei Ausschlägen von Gas- und Ölpreisen, die sich weltweit auswirken, sind Strompreise eine regionale Angelegenheit.
Außerdem werden aufgrund der geplanten Transformation der Wirtschaft weg von fossilen Brennstoffen hin zu elektrischer Energie die Kosten für Strom künftig noch relevanter.
Verschiedene Studien, unter anderem von Agora Energiewende, Wuppertal Institut und Fraunhofer ISE, gehen davon aus, dass der industrielle Strombedarf in Deutschland bis 2030 um gut 20 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 steigt. Bis 2045 prognostizieren einige Forscher sogar einen Anstieg um mehr als 100 Prozent.
Absolut gesehen müssen Industriekunden in Deutschland heute einen der höchsten Strompreise aller EU-Staaten berappen.
Die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hatte den Strompreis in Deutschland zwischenzeitlich in die Höhe schnellen lassen. Im vergangenen Jahr lag der Strompreis für einen Neuabschluss in der Industrie laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft dann wieder auf dem Niveau von 2020. Im längerfristigen Vergleich ist die Entwicklung dennoch kritisch.
Die Beschaffung des Stroms ist weiterhin deutlich teurer als vor den Krisen der vergangenen Jahre. 155 Euro kostete sie für eine Megawattstunde inklusive Netzentgelten im Jahr 2024, fünf Jahre zuvor lagen die Beschaffungskosten bei knapp 95 Euro.
Der jüngste Rückgang des Gesamtpreises ist auch auf die Rücknahme staatlicher Kostenbestandteile zurückzuführen. So schaffte die Politik 2022 etwa die EEG-Umlage ab. Zugleich gab sie vorher aber energieintensiven Unternehmen Rabatte auf diese staatliche Komponente des Strompreises. Diese Option ist nun nicht mehr vorhanden. Von den steigenden Beschaffungskosten sind energieintensive Unternehmen inzwischen also voll betroffen.
Absolut gesehen müssen Industriekunden in Deutschland heute einen der höchsten Strompreise aller EU-Staaten berappen. Und auch gegenüber der Konkurrenz in den USA und China haben deutsche Unternehmen derzeit das Nachsehen. Der Blick in die Zukunft sieht ebenfalls nicht rosig aus.
Im Jahr 2030 könnten die Kosten in Deutschland für Unternehmen mit einem jährlichen Verbrauch von zehn Gigawattstunden für eine Megawattstunde Strom 132 Euro betragen. In China werden es nach heutiger Prognose 102 Euro sein, in den USA mancherorts sogar nur 61 Euro.
Deutschland braucht folglich dringend eine Strategie, um den hiesigen Strompreis dauerhaft zu senken – die neue Bundesregierung sollte umgehend Maßnahmen ergreifen, die dazu beitragen, die Systemkosten und Großhandelspreise zu drücken. Beispiele dafür sind neben dem konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien der weitgehende Verzicht auf Erdkabel beim Netzausbau. Wichtig wären außerdem mehr Anreize für eine netzdienliche Einspeisung von erneuerbaren Energien, beispielsweise durch eine Anpassung des Vergütungsmechanismus im Erneuerbare-Energien-Gesetz oder die bereits verabschiedete Ausweitung der Steuerungsmöglichkeiten für Photovoltaikanlagen. Außerdem gilt es, Speicher und Gaskraftwerke auszubauen, um in Zeiten geringer Einspeisung von Sonne und Wind eine verlässliche Stromversorgung gewährleisten zu können.
Quelle: iwd