Um zu verstehen, wie sehr sich die globale Automobilindustrie in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten verändert hat, reicht ein Blick auf die Marktführer: Im Jahr 2000 war General Motors der größte Autobauer der Welt, gefolgt von Ford, Toyota, Volkswagen und Daimler. Im vergangenen Jahr hatte der japanische Hersteller Toyota die Nase vorn, auf dem zweiten Platz landete VW und auf Platz drei Hyundai. Unter den Top 20 Autobauern im Jahr 2023 fanden sich sechs japanische und fünf chinesische Hersteller.
Im Jahr 2023 wurden fast 60 Prozent aller weltweit hergestellten Kraftfahrzeuge in Asien gebaut. Im Jahr 2000 kamen die asiatischen Produzenten erst auf einen Anteil von 30 Prozent.
Wie sehr sich die Fahrzeugproduktion Richtung Asien verschoben hat, zeigt auch die Länderbetrachtung. Haupttreiber dieser Entwicklung ist China.
Im Jahr 2000 wurden in der Volksrepublik rund zwei Millionen Kraftfahrzeuge hergestellt, das entsprach 3,5 Prozent der weltweiten Produktion. Im Jahr 2023 wurden in chinesischen Fabriken mehr als 30 Millionen Kfz gefertigt, fast ein Drittel der globalen Automobilproduktion.
Auch andere asiatische Länder wie Indien oder einige ASEAN-Staaten wie Thailand und Indonesien haben sich zu erfolgreichen Kfz-Herstellern entwickelt. So wurden im Jahr 2023 unterm Strich fast 60 Prozent aller Kraftfahrzeuge in Asien gebaut. Im Jahr 2000, als weltweit noch 35 Millionen Pkw und Nutzfahrzeuge weniger vom Band liefen, kamen die asiatischen Produzenten erst auf einen Anteil von 30 Prozent.
Andernorts kamen die Automobilhersteller dagegen gehörig ins Schlingern: In den alteingesessenen westeuropäischen EU-Ländern, Deutschland ausgenommen, sank die Kfz-Produktion in den zurückliegenden 23 Jahren um 39 Prozent – in Frankreich und Italien sogar um jeweils rund 50 Prozent. Die Kfz-Produktion für den europäischen Markt ist zu einem guten Teil an billigere Produktionsstandorte in räumlicher Nähe abgewandert – zum Beispiel in die mittel- und osteuropäischen Staaten, die der EU seit 2004 beigetreten sind, sowie in die Türkei und nach Marokko.
Der deutsche Sonderweg
Die deutsche Automobilindustrie dagegen konnte sich von dieser Entwicklung in Westeuropa zunächst abkoppeln. Sie hat von 2000 bis 2017 sogar bis zu 500.000 Kraftfahrzeuge pro Jahr mehr produziert als vor dem Millennium. Das lag vor allem an der aktiven Gestaltung der Globalisierung – konkret an der Erschließung des chinesischen Marktes, die auch die Produktion vor Ort einschließt – sowie an einer Strategie, die konsequent auf hochwertige und -preisige Modelle setzte:
Zwischen 2000 und 2017 dominierten deutsche Konzernmarken zwischen 70 und 80 Prozent des weltweiten Kfz-Premiumsegments.
Die hohe Zahlungsbereitschaft für deutsche Autos der Premiumklasse bescherte den Herstellern nicht nur gute Margen, sondern sie ermöglichte es ihnen auch, große Teile der Produktion in deutschen Fabriken zu belassen und den Weltmarkt zu einem relevanten Teil vom heimischen Standort aus zu beliefern.
Wichtiger Exportmarkt
Seit 2018 befindet sich die Automobilbranche jedoch erneut im Umbruch – getrieben durch den Technologiewandel hin zur E-Mobilität und durch Deglobalisierungstendenzen, die den Export von Autos zunehmend erschweren – sprich: höhere Zölle. Das macht es für die deutschen Hersteller besonders schwierig, denn hierzulande verkauften sie zuletzt nur zwischen 12 und 13 Prozent ihrer Produktion – 2010 waren es noch 23 Prozent. Der wichtigste Absatzmarkt für alle deutschen Herstellergruppen ist China, wo sie 2023 gut ein Drittel ihrer Kraftfahrzeuge absetzten.
Doch China, wo im Jahr 2023 rund sieben Millionen und im ersten Halbjahr 2024 bereits vier Millionen Kraftfahrzeuge mit E-Antrieb verkauft wurden, baut Stromer mittlerweile sehr erfolgreich selbst (Grafik):
Das chinesische Unternehmen BYD hat im Jahr 2023 weltweit mehr als 1,5 Millionen reine Elektroautos verkauft und rangiert damit an zweiter Stelle der Hersteller hinter Tesla.
BYD hat ursprünglich auch Fahrzeuge nur mit Verbrennungsmotor hergestellt, deren Produktion aber Ende 2022 eingestellt. Im Jahr 2023 ist der chinesische Hersteller mit gut drei Millionen verkauften batterieelektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden zum weltgrößten Hersteller von Autos mit (teil-)elektrischem Antrieb aufgestiegen.
Zu den zehn größten Herstellern von reinen Elektroautos zählen auch die drei deutschen Konzernmarken. Das ist wichtig, denn auch wenn die weltweiten Absatzzahlen von E-Autos noch relativ niedrig sind, zeigt dies – zusammen mit der Tatsache, dass fast alle Pkw-Montagewerke in Deutschland für die Produktion von E-Autos vorbereitet sind –, dass der hiesige Automobilstandort in Europa bei der Anpassung an den Trend hin zum elektrifizierten Antriebsstrang wohl am Weitesten vorangekommen ist. Noch weist Deutschland auch die meisten internationalen Patentanmeldungen zu dieser Technik auf.
Große Aufgaben für die Politik
Doch wenn es der Politik nicht gelingt, den technologischen Wandel im Fahrzeugsektor zu begleiten sowie den interkontinentalen Export zu sichern und auszubauen, steht zu befürchten, dass die Automobilindustrie am Standort Deutschland in den kommenden Jahren ausgebremst wird und in ähnlichem Maße Weltmarktanteile verliert, wie es an den anderen westeuropäischen Standorten bereits der Fall war.
Quelle: iwd