Offiziell begrüßt wurde Gabriel von Egbert Neuhaus, Vorsitzender des Unternehmensverbandes Westfalen-Mitte, der die Vortragsveranstaltung im Kurhaus Bad Hamm eröffnete. „Unser diesjähriger Referent muss sicher als langjähriger Spitzenpolitiker, als ehemaliger Bundeswirtschafts- und aussenminister und Vize-kanzler nicht detailliert vorgestellt werden.“ In seinem Vortrag legte Gabriel dar, dass wir uns gerade in einer Zeitenwende befinden, die unsere Wirtschaft grundlegend und nachhaltig verändern wird. Ein Problem sieht er vor allem darin, dass Europa diese Entwicklung bislang nicht ausreichend berücksichtigt und uns damit das gleiche Schicksal droht wir vor 600 Jahren den Venezianern. Die Großmacht verpasste die Verlagerung der Handelsachse aus dem Mittelmeer in den Atlantik und verursachte damit den eigenen Abstieg. Derzeit verlagere sich die Handelsachse aus dem Atlantik in den Pazifik – und dort habe Europa nur wenige Kooperationspartner und damit auch zu wenig Einfluss. Andere Mächte wie beispielsweise China nutzten die gegenwärtige Situation zusätzlich aus, um Europa zu destabilisieren, indem sie die Einzelnationen gegeneinander aufbrächten. Laut Gabriel müsste Europa hier dringend geschlossener auftreten und eine gemeinsame Handlungslinie entwickeln und dieser auch folgen. Auch im gegenwärtigen Verhältnis Europas zu den USA sieht er negative Aspekte. Zwar würden sich die Amerikaner bereits seit längerer Zeit von Europa zu-rückziehen, aber Obama hätte die dadurch entstehenden Lücken z.B. mit Freihandelsverträgen gefüllt. Trump hingegen sieht laut Gabriel die Welt als eine Arena, in der die Großen Geschäfte machten und die Kleinen für sich selbst sorgen müssten. Trump sähe in Europa keine Gemeinschaft. Ein weiteres Problem sieht Gabriel darin, dass gerade die Bundesrepublik an Respekt vor großen Nationen wie China verliert. Über die Abschaffung des Diplom-Ingenieurs hätten sich die Chinesen gewundert. Und während wir inzwischen über unsere eigene Unfähigkeit, in Berlin einen Flughafen zu bauen, lachten, täten die Chinesen das nicht. Gabriel: „Das verschafft uns einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Ländern, die aufgrund anderer Strukturen effizienter arbeiten können. Hier müssen wir schneller werden.“ Zu Bedenken bei anderen Nationen führte auch die zu geringe Investitionsbereitschaft unseres Landes. Während China bis 2025 150 Milliarden Euro für Künstliche Intelligenz veranschlagt, sind es in Deutschland lediglich drei Milliarden. Gabriel fordert hier, dass das Zinstief jetzt für große Investitionen genutzt wird, um marode Bildungseinrichtungen zu sanieren und die Infrastruktur zu verbessern. Gabriel sieht aber durchaus das nötige Potenzial in Deutschland, um den Anschluss nicht zu verpassen: „Wir haben es in einer Generation von Ausschwitz nach Brüssel geschafft – von Vorurteilen zu Gemeinschaft. Das Motto muss jetzt lauten: Die Ärmel hochkrempeln.“